Brands get a voice — How conversational interfaces change marketing.

Alex Glasneck
17. November 2018
Marketing und „Digital“: Es bleibt kompliziert. Die Euphorie über neue Technologien und Kommunikations-Kanäle ist abgeflaut. Statt große Schritte Richtung Zukunft gehen wir Babysteps im Teufelskreis der ewig gleichen Marketing-Ansätze. Dabei liegt das Potential für wirkliche Innovation genau vor unserer Nase: Conversational Interfaces.

Machen wir uns nichts vor: “Digital” im Jahre 2018 steckt in der Sackgasse. TV ist nicht tot, und Social Media hat sich vom Heilsbringer in ein Werkzeug der Unterdrückung verwandelt. Zeit für ein kurzes Tabula Rasa.

  • Websites können dynamisch und interaktiv wie nie zuvor sein—aber die Entwicklung dauert ewig und Unternehmen innovieren viel zu langsam.
  • Programmatic klingt toll—aber wo ist der Sinn, wenn Ads eh immer mehr geblockt werden?
  • Es gibt eine App für alles—aber Download-Zahlen schrumpfen, Notifications werden stumm geschaltet und Menschen nutzen sowieso nur 9 Apps pro Tag.
  • Influencer sind immer noch angesagt – aber Fake Follower, Ad Fraud und schlechte Kooperationen schaden Marken mehr, als sie nutzen.
  • Facebook war #1 —  hat sich aber selbst ins Aus geschossen und fühlt sich grad ziemlich tot an für alle Menschen unter 30.
  • Twitter war voller Gespräche zwischen echten Menschen —aber ist zu einer Spielwiese von Celebrities, ständig neuen Ad-Formaten und Bots verkommen, die Gespräche mit sich selber führen.
  • Instagram ist auf dem Höhepunkt—aber der Feed wird immer mehr mit Marken- statt User-Content vollgestopft und das Interface ständig unübersichtlicher (wieviele Buttons und Features sollen nach IGTV eigentlich noch kommen?).
  • Snapchat, der König des Ephemeral Content—entwickelt sich ständig weiter, kann aber außerhalb von US-Jugendlichen nicht wirklich punkten und hat ständig mehr Probleme.
  • Vero, vergessen wir nicht Vero, das One Month Wonder—gibts das eigentlich noch?
  • AI soll seit Jahren das nächste große Ding werden—hebt aber sehr langsam ab, von ein paar Publicity Stunts der Tech-Giganten abgesehen.

Vielleicht geht es auch nur mir so, aber: Wo ist der Sinn, auf das nächste dumme Ad-Format für Facebook Stories zu warten? Oder auf neue Möglichkeiten, irgendwo Vertical Video abzuspielen? Oder die nächste Hype-App wie TikTok?

Es wird Zeit, radikal die Richtung zu wechseln und komplett neue Marketing-Ansätze zu entwickeln. Denn wir ignorieren einen fundamentalen Evolutionsschritt digitaler Technologie, der genau jetzt passiert. Mit dem Potential, die Beziehung von Konsumenten und Marken für immer zu verändern: Der Aufstieg der Conversational Interfaces.

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WTF ist ein Conversational Interface?

Der Versuch einer Definition: Conversational Interfaces ermöglichen Menschen, mit Maschinen (und Marken) auf natürliche Weise zu interagieren —durch  Sprache.

Erinnert Ihr Euch an HER?

Ok, soweit sind wir nicht – noch nicht. Vielleicht wollen wir auch nicht soweit gehen. (Wegen Skynet, ihr wisst schon.)

Aber trotzdem: Nach der Ära von Search und Social gelten Conversational Interfaces (CI) als DER nächste Evolutions-Schritt von Technologie.

Die Evolution von User Interaktionen mit internetbasierter Technologie.

Diese Entwicklung verändert nicht nur die Art und Weise, wie Menschen mit Smartphones, Smart Homes oder Technologie generell interagieren. Sie wird auch den Großteil der aktuellen Marketing-Ansätze und Geschäftsmodelle von Agenturen auf den Kopf stellen.

  • Warum sollten Menschen Eure wunderschönen und aufwendigen Websites oder Smartphone Apps nutzen — wenn jede gewünschte Information oder Service von Device-unabhängigen Bots oder Smart Agents geliefert wird und man nur danach fragen muss?
  • Warum sollte sich jemand mit Euren Social Media-Contents oder Ads beschäftigen — wenn es eh keinen Feed mehr gibt, oder Smart Assistants alle Unterbrechungen sowieso rausfiltern?
  • Wie schafft man Sichtbarkeit für Marken-Content, Produkte oder Services  — wenn es nur noch EIN Suchergebnis auf Google Now oder Alexa gibt?

Selbst die Bedeutung und Rolle von “Marke” im Marketing könnte sich dramatisch verändern.

Stellt Euch vor, Marken würden wirklich eine Stimme bekommen— und direkt mit Menschen kommunizieren wie nie zuvor.

Ein gut gestalteter Bot oder Smart Agent mit einem uniquen, markenspezifischen Verhalten wäre vielleicht nur der Anfang. In einem radikalen Szenario wären Marken irgendwann nicht mehr die Repräsentation von Unternehmen, die Inhalte veröffentlichen, Produkte verkaufen oder mit Konsumenten durch (menschliche) Angestellte interagieren.

Marken könnten sich in eine reine Software entwickeln, die sich anfühlt wie eine virtuelle Person – und Konsumenten überall hin begleitet!

Das würde unsere Art zu arbeiten fundamental verändern. Kreativ gesehen, aber auch in Markenführung und Marketing generell. Weg vom Entwickeln immer neuer Wege, Menschen auf Ads klicken oder Content teilen zu lassen. Hin zum Schaffen einer Stimme für Marken, mit der Menschen wirklich sprechen können und wollen.

The evolution of advertisings main jobs in the digital era.

Zuguterletzt brauchen wir neue Wege, um überhaupt Awareness für Marken zu generieren – angesichts einer dramatisch anderen (und vielleicht limitierteren) Kanal-Landschaft.

Kurz gesagt: CIs eröffnen Möglichkeiten für radikal andere kreative Ideen.

I. Chance: Messenger

Messenger Apps mit ihrem textbasierten Conversational Interface wirken auf den ersten Blick vielleicht unsexy, sind aber extrem erfolgreich.

“The messaging era is definitely now. It’s the one thing people do more than anything else on their phone.”

David Marcus // VP of messaging products, Facebook

Die Zahlen lügen nicht: Messenger sind ÜBERALL und mittlerweile populärer als Social Networks. In China IST WeChat das Internet — und Menschen tun alles damit.

Zugegeben, das muss keine Vision für den Rest der Welt sein (auch wenn Facebook wirklich hart daran arbeitet).

Aber trotzdem: Messenger sind auf dem Siegeszug, weil sie alle Anforderungen an moderne Kommunikation erfüllen. Sie sind mobile, social und vor allem seamless und intuitiv. Man muss keine App installieren, einfach nur texten und los gehts. Selbst meine tech-averse Oma weiß, wie man WhatsApp benutzt.

Das Beste: Ihr könnt viel spannendere Ideen mit Messengern umsetzen, als Ihr denkt.

Photo by louis amal on Unsplash Photo by louis amal on Unsplash

1. Erzählt große Geschichten —
Content & Kampagnen.

Interaktive Geschichten mit textbasierten Interfaces erzählen, hat eine lange Geschichte. Erinnert sich noch jemand an das erste Text-Adventure ZORC?

Ok, die 80er sind vorbei. Aber selbst in unserer Ära von Open World Games, Realtime Video und komplettem visuellen Overload kann man mit diesem Ansatz immer noch einzigartige und mitreissende Markenerlebnisse schaffen.

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2. Lasst Menschen spielen —
 Games & AR.

Spiele und Gamification im Marketing. Eine erfolgreiche, oft aber auch sehr teure Marketing-Taktik. Die außerdem von Hause aus eine weitere Hürde mitbringt: Menschen müssen sich Programme oder Apps erst downloaden und installieren.

Auch wenn es keine wirkliche Nutzung des Conversational Interfaces ist – Spiele und AR Funktionalitäten nahtlos via Messenger einzusetzen eröffnet neue Chancen für Marken, aufregende Erlebnisse für Konsumenten zu schaffen.

Photo by ian dooley on Unsplash Photo by ian dooley on Unsplash

3. Kreiert Tools —
 CRM & Personal Assistants.

Das Leben von Menschen durch nahtlose Consumer Experiences einfacher machen – seit Jahren der Heilige Gral im Marketing.

Messenger können unnötige Barrieren für Konsumenten drastisch reduzieren. Kein nerviges Einloggen in Apps mehr, um auf Kundendaten zu zu greifen. Stattdessen einfacher Zugriff auf Services oder Kaufhistorie in einem einzelnen Messenger Thread – oder sogar Virtuelle Assistenten und Services, die sich anfühlen wie echte Freunde.

  • Vereinfachter Bestellprozess: Domino’s Pizza Messenger Chatbot lässt Menschen Pizza mit 2 Taps ordern.
  • Nahtloser Kauf-Prozess: Everlane ermöglicht Kunden den kompletten Order-Prozess in einem Messenger Thread abzuwickeln – von der Produktauswahl über Payment und Versandstatus bis zum After Sales Service.
  • Service-Kanal: KLM bietet Ticket-Downloads und Flugstatus-Updates via Facebook Messenger.
  • Personal Assistants: Walmarts Concierge-Service Jetblack macht Müttern das Leben einfacher mit inspirierendem Content, Produkt-Empfehlungen und Sofort-Lieferung.
  • AI Freunde: Replica, eine Lifelog-App und Personal Assistant, der sich verhält wie ein echter Freund (spooky, ich weiß).

KEY TAKEOUT: MESSENGER sind ein weit verbreitetes Conversational Interface voller kreativem Potential – das bisher nur von wenigen Marken wirklich genutzt wird. 

II. Chance — Voice

VOICE ist ein akustik-basiertes Conversational Interface, das die Science Fiction-Welt von Star Trek in die Jetzt-Zeit holt und immer erfolgreicher wird.

“40% of Consumers will use a voice assistant instead of a mobile app or a website, three years from now.”

„Conversational Commerce“ Study // Capgemini, 2018

Tatsächlich klingt VOICE gerade wie die größte Chance im Marketing. Habt Ihr diese Google Demo gesehen?

Ziemlich eindrucksvoll, oder? Aber bedenkt: Das ist Google. Und ein sehr spezieller Use Case. Aktuell sind die Fähigkeiten von VOICE Applikationen zur Verarbeitung von natürlicher Sprache immer noch sehr begrenzt. Und wenn sie Dinge falsch verstehen oder versehentlich loslachen, kann das sehr gruselig für die Besitzer werden.

Vielleicht ist das ein Grund, warum die Nutzung von VOICE zwar wächst, wir aber immer noch in einem frühen Stadium der Adoption stehen. Egal was Alexa, Siri oder Google Now Ads uns einreden wollen.

Allerdings: Es gibt immer mehr Cases von kreativer Kommunikation und innovativen Services mit VOICE.

KEY TAKEOUT: VOICE ist das CI der Zukunft— aber baut Anwendungen so, dass sie nicht creepy werden und checkt die Nutzungsrate in Eurer Zielgruppe vor großen Investitionen.

Fazit: Wie Conversational Interfaces das Marketing verändern.

Marketing und Digital stehen an der Schwelle zu einem fundamentalen Evolutionsschritt. Der Aufstieg von Conversational Interfaces wie Messenger und Voice ermöglicht völlig neue Arten der Interaktion zwischen Menschen, Marken und Technologie.

Das bedeutet eine Riesenchance für Marketer: Gestaltet diese Interaktionen und bietet Menschen wertvolle, differenzierende Erlebnisse mit Eurer Marke, Produkt oder Service. Einfach gesagt – Gebt Marken eine Stimme.

Das Rennen um die Vorherrschaft des neuen Interface hat gerade erst begonnen. Die Frage ist nur — Wann steigt Ihr ein?

Über mich

Alex Glasneck ist Strategieberater für Marke, Digital und Experience Design. Er hilft Unternehmen, besseres Marketing mit weniger Bullshit zu machen - und schreibt über neue Wege der Kommunikation, Arbeit und Wertschöpfung im digitalen Zeitalter.

Alex Glasneck

Strategy Consultant